Reizdarm - reagierst Du auf EIN Lebensmittel oder auf alle Lebensmittel?
Das Problem der “Verdauungsbeschwerden” scheint omnipräsent zu sein. Fragt man Dr. Google, so findet man unzählige Blogs, Ernährungsformen und Selbsthilfegruppen für Menschen mit den unterschiedlichsten Symptomen und Diagnose: SIBO, Candida, FODMAPs, Histamin-, Laktose- oder Fruktoseunverträglichkeit, Lektinintoleranz und wenn es dann noch detaillierter wird für Menschen, die Salicylate, Tyramine, Oxalate, … nicht vertragen. Das Problem - die beschriebenen Symptome für die einzelnen Diagnosen überschneiden sich - und die entsprechenden empfohlenen Ernährungsformen widersprechen sich regelmäßig. Das stiftet Verwirrung und verursacht das Gefühl der Machtlosigkeit - als könne man an seinen Beschwerden aufgrund der Komplexität nichts verändern. Doch das ist Gott sei Dank nicht der Fall!
Kaum noch Menschen ohne „Reizdarm“
Fragt man die Menschen nach ihrer Verdauung und wie es ihnen rund um das Thema „Essen“ geht, bekommt man seltenst eine kurze Antwort. In den meisten Fällen is die Antwort sehr differenziert - mam weiß, was eigentlich gesund wäre, wie man sich ernähren sollte, aber selbst wenn man sich die Zeit dafür nehmen würde, werden bestimmte Dinge einfach nicht vertragen. Die Menschen klagen über generelle Verdauungsbeschwerden – Magenschmerzen, Blähungen Völlegefühl, Reflux – bis hin zu differenzierteren Beschwerden – Verstopfung, Durchfall, Ausschläge – und auch ganz diffuse Symptome – Kopfschmerzen, Brain Fog, Stimmungsschwankungen, Schlaflosigkeit - die sie im Zusammenhang mit dem Gegessenen bringen, aber oft nicht einer bestimmten Nahrungsmittelgruppe zuordnen können.
Für viele Menschen sind diese Symptome so prägnant und beeinträchtigen die Lebensqualität so massiv, dass sie Hilfe beim Arzt suchen – und in der Regel fällt die Diagnose sehr vage aus. Reizdarm, Reflux, Dysbiose, Leaky Gut. In schwereren Fällen wird nach Intoleranzen gesucht – so z.B. einer Laktose-, oder Fruktoseintoleranz. Man untersucht auf Zöliakie oder Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa. Doch mit der Diagnose und der damit einhergehenden Medikation verändern sich die Symptome leider in den meisten Fällen nicht – oder sie tun es, aber dafür zeigt der Körper an anderen Stellen, dass die Ursache der Beschwerden nicht angegangen wurde.
Funktionelle Medizin ist Ursachenmedizin
In der Funktionellen Medizin werden Verdauungsbeschwerden nicht als Endpunkt betrachtet sondern, wie andere Symptome auch, auf Hinweise auf bestehende Ungleichgewichte. Sie haben eine Ursache – möglicherweise genetischer Art, Nährstoffmängel, Fehlfunktionen oder Lebensstilfaktoren – sie haben aber auch eine Auswirkung, denn zeigt unser Verdauungsapparat Symptome, so entsteht ein dauerhafter Herd chronischer Entzündung, der das gesamte System Ressourcen (Energie, Immunkapazität, Nährstoffe) kostet, während die Entzündung und der daraus folgende oxidative Stress körpereigene Strukturen angreifen und beschädigen können – Barrieren, Rezeptoren, Gefäße, Organe – die Nährstoffaufnahme reduziert wird und das Immunsystem konstant getriggert wird.
Daher ist es aus dem Blickwinkel der Funktionellen Medizin wichtig, die tatsächliche Ursache für die vorliegenden Symptome zu erkennen, diese zu beheben und gleichzeitig die Folgen, die durch das bestehende Ungleichgewicht entstanden sind, auszugleichen.
Funktionelle Medizin nutzt Funktionelle Diagnostik
Um zu verstehen, warum ein Symptom auftritt, ist eine detaillierte Anamnese notwendig. Mit Hilfe gezielter Fragestellungen können verschiedene Dynamiken eingegrenzt werden, damit dann in einem nächsten Schritt, mit Hilfe Funktioneller Diagnostik gezielt nach den genauen Ursachen zu schauen.
So ist es wichtig zu verstehen, ob eine allgemeine Verdauungsinsuffizienz vorliegt und die Symptome entstehen, weil der Verdauungsprozess insgesamt eingeschränkt ist.
Ob nur bestimmte Lebensmitte nicht verdaut werden können und ob die Symptome aufgrund physiologischer Hürden (reduzierte Magensäureproduktion, eingeschränkte Pankreas- oder Leberfunktion, mikrobielle Dysbalancen, eingeschränkte Motilität) oder aufgrund bestimmter Lebensmittelinhaltsstoffe (Gluten, Laktose, Fruktose, Histamin, Lektine, Salicylate, Oxalate) entstehen. Neben der detaillierten Symptomanalyse können hierzu, basierend auf der Symptompräsentation, Funktionelle Tests wie Nahrungsmittelunverträglichkeitentests (z.B. KBMO FIT), Mikrobiomanalysen (z.B. GI Map oder GI 360), Organische Säuren (z.B. OAT, OAP oder Organix) oder Genetische Profile (z.B. DNA Health, DNA Core, DNA Histamin).
Reizdarm ist nicht gleich Reizdarm
So wird schnell deutlich, dass eine “nicht erwünschte“ Reaktion auf ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelgruppe langfristig nur dann behoben werden kann, wenn die Ursache erkannt, das entsprechende Lebensmittel ggf für eine Zeit lang eliminiert, der „Verarbeitungsprozess“ (=Verdauung) für dieses Lebensmittel verbessert und der durch die Mangelfunktion verursachte Schaden (Leaky gut, mikrobielle Dysbalancen, Irritationen /Entzündungen im weiteren Verdauungstrakt, Leaky Brain) repariert wird. Und das macht auch deutlich, warum der herkömmliche Ansatz in der Medizin, der einer bestimmten Diagnose eine (einzige) Intervention zuordnet, hier Schwierigkeiten hat. Reizdarm ist eben nicht gleich Reizdarm und je nachdem, wie weit die Dysfunktion schon fortgeschritten ist, braucht es einige Zeit, verschiedene Maßnahmen und viel Geduld, um das System zu beruhigen und das wichtige Gleichgewicht wieder herzustellen.
Verdauungsinsuffizienz als kleinster gemeinsamer Nenner
Können wir Lebensmittel nicht verdauen, so werden sie zum Störfaktor. Und dabei ist es nicht relevant, ob das Lebensmittel gesund oder ungesund, gut oder schlecht ist. Wird es nicht adäquat heruntergebrochen, stört es unseren Körper und wird als Fremdkörper erkannt. Dies ist eine Reaktion des Immunsystems, also eine Immunaktivierung. Ist das Immunsystem aktiviert, bedeutet dies immer: Entzündung. Die Entzündung im Magen-Darm-Bereich führt wiederum zu einer eingeschränkten Funktionalität – sprich: die reduzierte Verdauungskapazität kann Ursache und Effekt sein, ist aber immer beeinträchtigt. Daher setzt die Funktionelle Medizin immer an diesem einfach zu lösenden Punkt an und unterstützt sowohl die Verdauung, als auch die Aufnahmefähigkeit für Nährstoffe, damit Regeneration stattfinden kann.
Nahrungsmittelintoleranzen: genetisch bedingt oder erworben
Bei einer Nahrungsmittelintoleranz reagiert der Körper nicht primär über das Immunsystem. Das beste Beispiel für eine Nahrungsmittelintoleranz ist die z.B. Laktoseintoleranz - der Mensch reagiert mit Beschwerden auf den Konsum von Laktose, weil es an dem Enzym Laktase fehlt, also dem Enzym, welches der Körper benötigen würde, um Laktose abzubauen. Durch das Fehlen des Enzyms kommt es zu Verdauungsbeschwerden wie Blähungen, Durchfall, Übelkeit und Erbrechen, die wir dann schmerzlich erfahren. Die Ursache kann genetischer Natur sein (genetisch bedingte Laktoseintoleranz, genetisch bedingte reduzierte Histaminabbaufähigkeit), sie kann aber auch „erworben“ sein, d.h. sich mit der Zeit entwickelt haben, weil die Darmbarriere aus verschiedenen Gründen an Funktionalität verloren hat und daher die notwendigen Verdauungsenzyme nicht mehr ausreichend produzieren kann.
Histaminintoleranz & Co
In vielen Fällen ist der Körper schlicht mit einem Überangebot einer bestimmten Substanz (z.B. Histamin, Salicylate, Oxalate) konfrontiert – und kann diese nicht mit der notwendige Abbaukapazität ausgleichen. Das Überangebot kann dabei wieder verschiedene Ursachen haben: etwas kann zu viel konsumiert werden (z.B. histaminhaltige Nahrungsmittel) und/oder der Körper produziert selbst in dieser Phase des Lebens übermäßig viel davon (z.B. aufgrund erhöhter Östrogenlevel oder einer mikrobiellen Fehlbesiedlung). Auch die reduzierte Abbaukapazität kann verschiedene Gründe haben: Die Genetik, Nährstoffdefizite, strukturelle Schwächen (Darmbarriere, Pankreas, Leber). Zeigt also der Körper Symptome ist es wichtig, dem „warum“ auf die Spur zu kommen und an der Ursache zu arbeiten, während man die Exposition reduziert und Symptome lindert.
Nahrungsmittelallergien
Bei einer Nahrungsmittelallergie sprechen wir von einer negativen (gesundheitlichen) Reaktion, die aufgrund einer bestimmten Immunantwort als Reaktion auf die Exposition zu einem bestimmten Nahrungsmittel reproduzierbar entsteht. Nämlich einer IgE-gesteuerten Typ 1–Reaktion. Nahrungsmittelallergien werden in der Regel direkt bemerkbar, so z.B. im Fall einer Erdnussallergie - es handelt sich um Sofortreaktionen. Betroffene reagieren in der Regel direkt und teilweise extrem auf das betroffene Lebensmittel. Es kann durchaus zu einem allergischen Schock (Anaphylaxie) kommen, der auch tödlich enden kann.
Nahrungsmittelsensitivitäten
Davon abzugrenzen ist die sog. Nahrungsmittelsensitivität. Eine immunologische, oft verzögerte Reaktion auf Nahrungsmittel, die anders als bei den Allergien nicht über IgE-Antikörper, sondern über IgA- oder IgG-Antikörper vermittelt wird. Die Symptome einer Nahrungsmittelunverträglichkeit können extrem vielfältig sein und – was deren Identifikation besonders schwierig macht - sehr zeitverzögert auftreten. Wer sensitiv auf z.B. Weizen reagiert, kann drei Tage nach dem Konsum mit Brain Fog reagieren - und wird dann natürlich nicht den Rückschluss auf den “Übeltäter” ziehen.
Nahrungsmittelunverträglichkeiten können sich auf die unterschiedlichste Art und Weise äußern, so kann es zu systemischen Symptomen (Müdigkeit, Schwitzen, Verminderte Konzentration und Leistung, Brain Fog, Verhaltensveränderungen, Ängsten) über Beschwerden im Verdauungsapparat (Bauchschmerzen, Blähungen, Übelkeit, Durchfall, Verstopfung) bis hin zu Atembeschwerden, Schmerz, Schwellungen, Wassereinlagerungen, Jucken und Ausschlag/Ekzemen kommen.
Ursachen für die Entstehung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Stress ist der Hauptverursacher von Verdauungsstörungen – und damit die Entstehung aller verdauungsbedingten Symptome. Ein sympathikotoner Dauerzustand (Dauerstress) reduziert nachhaltig negativ unsere Verdauungsleistung. Dieser Zustand verursacht einen Magensäuremangel und eine verlangsamte Darmperistaltik. Die Nahrung bleibt zu lange im Magen und wird unverdaut in den Darm weitergetragen, was die Schleimhäute des Magen-Darm-Trakts massiv reizt. Der Darm wird über diese permanente Reizung porös, es entsteht eine erhöhte Durchlässigkeit. Möglicherweise sogar ein Leaky-Gut-Syndrom.
Diese (teilweise) unverdauten Nahrungsbestandteile können durch die gestörte Darmwandbarriere hindurchtreten und am Übergang zum Blutsystem eine Immunreaktion auslösen. Dies führt nach einigen Zwischenschritten zu einer massiven Produktion von IgE und IgG-Antikörpern, welche dann nachfolgend die o.g. Symptomatik auslösen können. Das Immunsystem ist dauerhaft in Aufruhr! Diese Definition weist auf zwei elementar wichtige Aspekte hin – einen gesunden Verdauungsprozess und eine gesunde und funktionale Darmschleimhaut. Besteht eine erhöhte Durchlässigkeit (ein sog. Leaky Gut), so können nicht ausreichend verdaute Nahrungspartikel diese Schutzbarriere vermehrt passieren - und schließlich unser Immunsystem triggern.
Leaky Gut
Die Ursachen, für einen sog. Leaky Gut sind vielfältig. Zu nennen sind hier z.B.:
- Vitamin D-Mangel
- Medikamente, wie NSAID, SSRI, Hormone, Anti-Baby-Pille, Chemotherapie, Antibiotika
- Mikrobielle Ungleichgewichte im Darm
- Mikrobielle Fehlbesiedlungen
- Fehlender Kontakt zu Schmutz und Keimen im Alltag
- Gluten reizt die Ausschüttung von Zonulin, welches die "Schleusen der Darmschleimhaut öffnet"
- Stress
- Stark verarbeitete Lebensmittel
- Giftstoffe und Chemikalien
- Nährstoffmängel
- Ineffektive Verdauungsprozesse
- Nahrungsmittelunverträglichkeiten
Test don't guess
Natürlich stellt sich nun die Frage, auf welchem Weg demnach ein „Reizdarm“ am besten zu behandeln ist. Und die Antwort ist einfach – es kommt darauf an! Wichtig ist jedoch, dass die Intervention:
- Die Ursache erkennt und behebt
- Die Auslöser (temporär !) beseitigt
- Regeneration ermöglicht und
- Nicht (!) langfristig alle Trigger-Lebensmittel eliminiert
Um dies möglich zu machen ist es wichtig, die „Schuldigen“ (also Lebensmittel und physiologischen Stolpersteine) zu erkennen und zu beheben. Sonst passiert, was wir in unserer Praxis täglich sehen – es wird elimniert und eliminiert, bis irgendwann kaum noch etwas zum Essen übrig bleibt und schlicht alles zu Symptomen führt.
Bringe Licht ins Dunkel und test Dich jetzt!
Um eine möglichst effiziente Strategie zu entwickeln ist unserer Erfahrung nach das „Testen“ von zentraler Bedeutung und demnach die Basis jeder Intervention. Hast Du Verdauungsbeschwerden. Oder einen Reizdarm? Oder Symptome, die Du nicht zuordnen kannst? Ein guter Einstieg in dieses Thema ist unser Workshop „Nahrungsmittelunverträglichkeiten“ – diesen gibt es mit und ohne Test. Lass Dich nicht von Verdauungsbeschwerden aus dem Gleichgewicht bringen und starte heute mit einem besseren Verständnis für Dich, Deinen Körper, was er braucht – und was er gerade weniger toleriert!